Wäre ein Militärschlag
gegen Irak völkerrechtlich zulässig?
Über die Vorgeschichte des aktuellen Konflikts am Golf (aus der
FR-Dokumentation vom 25.02.98)
Reinhard Mutz und
Götz Neuneck
Bereits der Golf-Krieg von 1991 wurde auf einer
rechtlich problematischen Grundlage geführt: Das den Vereinten
Nationen nach Artikel 42 der UN-Charta zukommende Recht, einen
Aggressor gewaltsam in die Schranken zu weisen, konnte in
satzungskonformer Weise nicht wahrgenommen werden, da die
Weltorganisation über keine eigenen oder ihr unterstellten
Streitkräfte verfügte.
Behelfsweise delegierte der Sicherheitsrat im November 1990 sein
originäres Recht an die Mitgliedsstaaten der Anti-Irak-Koalition
(Resolution 678), die unter Führung der Vereinigten Staaten die
Luft- und Landoperationen vornahmen, als deren Ergebnis Kuwait
die staatliche Souveränität zurückgewann. Obwohl die UN-Charta
eine solche Form der Ermächtigung nur für nichtmilitärische
Zwangsmaßnahmen vorsieht, begegnete das gewählte Verfahren
keiner wirksamen Kritik. Es darf als international gebilligt
betrachtet werden.
Für die gegenwärtige Situation von Belang ist die Frage, ob,
wie von amerikanischer Seite geltend gemacht, die Ermächtigung
fortbesteht und zu weiteren Militäreinsätzen gegen Irak
berechtigt, ohne daß der Sicherheitsrat ein neues Mandat zu
erteilen hätte. Dieser Auffassung steht entgegen, daß der
Sicherheitsrat schon wenige Wochen nach dem Ende des Golf-Krieges
gleich zweimal, im März und im April 1991, seine Ermächtigung
von 1990 zurückgezogen hat.
In der Resolution 686 formulierte der Sicherheitsrat eine Reihe
von Forderungen an Irak, darunter die Beendigung der Annexion
Kuwaits, die Anerkennung der Haftung für verursachte
Kriegsschäden, die Freilassung von Kriegsgefangenen und die
Unterstützung bei der Lokalisierung irakischer Minen.
Für den Zeitraum, der
benötigt wird, um diesen Forderungen Folgen zu leisten, so
heißt es weiter, behalte die Ermächtigung zum Gewaltgebrauch
ihre Gültigkeit. Da der Zeitpunkt, zu dem sämtliche dieser
Forderungen vollständig erfüllt waren, bereits weit
zurückliegt, ist auch der Zeitraum, während dessen die
Gewaltermächtigung fortgalt, längst beendet.
In der Resolution 687 erließ der Sicherheitsrat das Verbot der
Entwicklung, des Erwerbs und des Besitzes von
Massenvernichtungsmitteln durch Irak und etablierte den
Kontrollmechanismus zur Überwachung des Verbots. Mit der
modifizierten Annahme dieser Bestimmungen durch Irak, so fährt
die Resolution fort, trete die förmliche Feuereinstellung in
Kraft.
Mit dieser Feststellung hat der Sicherheitsrat bekräftigt, daß
nach dem genannten Zeitpunkt die Resolution 678 für eine
Wiederaufnahme von Kampfhandlungen durch die vormaligen
Koalitionmächte nicht mehr als Grundlage dienen kann.
Soll Irak heute, sieben Jahre später, wiederum mit
militärischen Mitteln zur Ordnung gerufen werden, so bedarf es
dazu eines neuen Beschlusses des Sicherheitsrates. D.h. neun der
fünfzehn Ratsmitglieder müssen ihre Zustimmung erteilen,
darunter alle fünf mit einem ständigen Sitz. Nehmen ein
einzelner oder eine Gruppe von Staaten das Heft selbst in die
Hand und handeln aus eignener Machtvollkommenheit unter Einsatz
von Waffengewalt, so brechen sie geltendes Völkerrecht.
..."